Modelle und Lebensstile ändern sich, ebenso wie die Bedürfnisse, die sich daraus ergeben, vor allem aber ändern sich die Plätze, an denen sich alles abspielt. Das gilt auch für eine Dimension, wie jene des Reisens, die sich zunehmend mit dem Alltagsleben vermischt.
von Antonia Zanardini – Direktorin von Guest
Angetrieben durch das globale Pandemiephänomen entwickelt sich die Welt des Gastgewerbes in immer schnellerem Tempo. Neue Trends und neue Beherbergungsformen tauchen auf dem Markt auf, und die Beherbergungsbetriebe, die bereits einem raschen Wandel unterliegen, werden zunehmend chamäleonartiger: von Bed and Breakfasts zu Serviced Residences, die oft von Hotelketten selbst eingerichtet werden, von Gästehäusern zu Relais und Villen, von Weilern und “Alberghi Diffusi” (spread out Hotels) zu Herbergen, Apartment-Hotels und Studentenwohnheimen. Welche neuen Beherbergungsmodelle haben angesichts dieser Vielzahl derzeit die besten Chancen? Und was wird in Zukunft immer mehr gefragt sein? Um diese Fragen zu beantworten, hat Guest 2021 eine Reihe von Treffen veranstaltet, um die neuen Trends im Gastgewerbe zu erkennen, zu erforschen und das geeigneteste Angebot zu ermitteln, das den sich immer schneller ändernden Reise- und Unterkunftsbedürfnissen Rechnung trägt. Die Veranstaltungen, an denen führende Experten und Professionisten aus den Bereichen Gastgewerbe, Design und Immobilien teilnahmen, befassten sich mit einigen der Phänomene und Trends, die sich durch alle Formate ziehen und derzeit am stärksten expandieren. Dies ist zum Beispiel der Fall des Slow Stay, wodurch heute Orte wie historische Dörfer oder Lösungen wie das “Albergo Diffuso” miteinbezogen werden; oder Staycation und Workation, zwei aufkommende Trends, die sich aus ebenso vielen wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen ergeben, die derzeit durch die Pandemie stark beschleunigt wurden. Auch Smart Hotels, die auf die Bedürfnisse einer durch Alter und Ansprüche differenzierten Kundschaft ausgerichtet sind, ebenso das Phänomen der Kurzmiete, das heute durch Formeln wie Aparthotels und Condhotels eine starke Entwicklung erfährt. Qualifizierte Expertengruppen haben diese vier Themen im Einzelnen erforscht und ihre Sichtweise präsentiert, nicht nur mit Bezug auf die Gegenwart sondern vor allem auf die Entwicklungsmöglichkeiten in einer sich rasant verändernden Welt.
Slow Stay: In der Schwebe zwischen authentisch und zugänglich
Durch die Pandemie hat sich das Urlaubskonzept stark verändert, sowohl was die Zielgruppen als auch die Bedürfnisse betrifft. Einer der Trends, der sich aus diesem Wandel ergibt, ist Slow Stay, eine Dimension des Reisens, die nach menschlicheren Rhythmen und Dimensionen sucht und die Tausende von Dörfern in unserem Land als Protagonisten ausfindig macht, die heute Ziel eines Tourismus sind, der auf Wiederentdeckung unter Rückgewinnung von Traditionen, Natur- und Kulturerbe abzielt. Der Wunsch nach menschenfreundlicheren Erlebnissen und gleichzeitig eine große Aufschwungsmöglichkeit für viele Gebiete, die jedoch um wahrgenommen zu werden, eine sorgfältige Bewertung der Qualität des Angebots in Bezug auf Zugänglichkeit, Lebensqualität, Verbindung und Umweltbewusstsein erfordert. Die architektonische und landschaftliche Aufwertung dieses kostbaren Erbes kommt in diesem Sinne sowohl durch neue Konzepte wie dem des “Albergo Diffuso” als auch durch die immer wichtigere Rolle der Technologie zum Ausdruck. Die Technologie soll jedoch effizient und gleichzeitig unsichtbar sein, die Qualität des Lebens und des Aufenthaltes verbessern ohne invasiv zu sein, um die Schönheit und den Geist der Plätze nicht zu beeinträchtigen. Und da gerade der Geist der Orte Protagonist dieser Urlaubserlebnisse ist, sollen die Beherbergungsstrukturen, vor allem ihre Gemeinschaftsbereiche, eine enge und konstante Beziehung zur Umgebung aufrechterhalten und den Gästen enge Verbindung und Dialog mit der Natur bieten. Dass dieses Konzept funktioniert und von der Öffentlichkeit geschätzt wird, wird durch die von Experten vorgelegten Zahlen bestätigt, die nicht nur ein starkes Wachstum bei diesem speziellen Angebot verzeichnen, sondern darunter auch eine bedeutende Präsenz ausländischer Kunden feststellen. Die Herausforderung für die kommenden Jahre wird darin bestehen, diesen Prozess der Erneuerung eines Gebiets fortzusetzen und dabei seine Authentizität, seine wertvollen Traditionen und seinen Geist bei gleichzeitiger Verbesserung seiner Zugänglichkeit zu bewahren.
Workation und Staycation: Das Büro geht auf Urlaub
Die Pandemie wurde von anderen Phänomenen begleitet, die bereits seit einiger Zeit im Gange waren und einerseits bestimmte Veränderungen beschleunigen und andererseits neue hervorrufen. Wenn die so genannten Staycations, d. h. Urlaub zu Hause oder in der unmittelbaren Umgebung, bereits mit der Wirtschaftskrise 2008 entstanden sind, so stellen die Workations, eine Mischung aus Urlaub und Arbeit, eine "genetische Mutation" dieser beiden Dimensionen dar, die verspricht ein Phänomen zu sein, das nicht zufällig ist, sondern auf Dauer Bestand haben wird. Zum Einen bringen die Erstgenannten mit ihrer Wiederentdeckung vertrauter und zugleich unbekannter Orte bereits Ad-hoc-Urlaubsangebote hervor, die sich auf das konzentrieren, was man als Naherkundung bezeichnen könnte; zum Anderen stellt die Workation einen Qualitätssprung dar, der in gewisser Weise revolutionär ist, da er eine stabile und langfristige Verlagerung weg von den Arbeitsorten vorsieht, was den Bedarf an mittel- und langfristigen Aufenthalten in Gastgewerbestrukturen entstehen lässt. Somit müssen diese nicht nur mit allem ausgestattet werden, was ein qualitativ hochwertiger Aufenthalt erfordert, sondern auch mit den digitalen Diensten, die heute eine Voraussetzung der beruflichen Dimension darstellen. Zwei Phänomene gewinnen in dieser Dynamik an strategischer Bedeutung: das Destinationsmarketing, ein Werbeinstrument zur Steigerung der Attraktivität von Reisezielen, von den renommiertesten bis hin zu denen, die noch entdeckt werden müssen und der Ausbau der Eckpfeiler dieser neuen hybriden Strukturen, die die gleiche Atmosphäre einer Wohneinheit bieten müssen, indem sie mit den Dienstleistungen der Gastfreundschaft integriert und dabei flexibler werden, um eine Vielzahl von Funktionen zu ermöglichen. Auch in diesem Fall ist die Technologie dazu bestimmt, in allen Dimensionen der Aufenthaltserfahrung eine führende Rolle zu spielen: vom Empfang über die Arbeit bis hin zum geselligen Beisammensein und zu kommerziellen Formen, die bereits jetzt neue Erfahrungen hervorbringen, wie zum Beispiel Aufenthaltsgspakete an besonders charakteristischen Standorten gratis anbieten, die durch den Kauf lokaler Produkte kompensiert werden.
Das Hotel: Smart für Jung und Alt
Die Erstellung von Zielgruppenprofilen war schon immer ein wertvolles Instrument im Gastgewerbe, aber heute wird es durch neue Dimensionen und Formate bereichert, die sich an den alters- und generationsbedingten Bedürfnissen der Gäste orientieren. Um mit ihnen Schritt zu halten, müssen die Einrichtungen außerdem immer intelligenter, flexibler und multifunktionaler werden. An den beiden Enden der Altersskala finden wir auf der Einen das Student Hotel, ein Modell hybrider Gastfreundschaft par excellence, das Studium, Alltagsleben, Modelle der Geselligkeit und Bräuche miteinander verbindet und sich an eine Kundschaft richtet, die den veränderlichen Prozess des Gegenwartsflusses erlebt, und auf der anderen Seite das Senior Living, eine Dimension des Wohnens, die auf die Bedürfnisse der älteren Bevölkerung zugeschnitten ist und dementsprechend hoch funktionelle aber auch ästhetisch hochwertige Dienstleistungen und Wohnräume bietet. Es handelt sich also um neue Produkte, die eher auf einen längeren Aufenthalt als auf einen traditionellen touristischen ausgerichtet sind und deren Planung vom Maßstab des einzelnen Bauwerks auf jenen des städtischen Gefüges, in dem es eingegliedert wird, übergeht, entlang der Nahtstelle zwischen privater und öffentlicher Dimension, die als wesentlicher Bestandteil der Lebensqualität betrachtet wird. Wenn dieses Konzept für ein junges Gästeprofil, das überwiegend auf eine mehrdimensionale Sozialität ausgerichtet ist gewissermaßen selbstverständlich ist, so bedeuten diese neuen Modelle für Senior-Gäste auch einen eigentlich revolutionären kulturellen Qualitätssprung, dessen Angelpunkt von einem Konzept des Wohnens ausgeht, das sich mit dem Alter verändert und daher vom traditionellen Eigentumshaus und von den festgefahrenen Funktionen, die dieses zu erfüllen hat, abstand nimmt. Wenn sich die Bedürfnisse ändern, ändern sich auch die Plätze und Dienstleistungen, die sich für Sie am besten eignen, und die Antworten auf diese Variabilität liegen sowohl in der Wahl von leicht zugänglichen Standorten als auch in einer technologischen Ausstattung, die es ermöglicht, Qualität, Natur und Lebensweise mit der veränderten sozialen Rolle und dem Alter in Einklang zu bringen.
Short Rent: von den Aparthotel zu den Condhotel
Veränderungen der Lebensstile, der Geselligkeit und der Erfahrungen sind naturgemäß eng mit der Art des Reisens und der Bewirtung verbunden. Und Veränderungen in der ersten Gruppe wirken sich sehr schnell auf die zweite Gruppe aus. Aus dieser Dynamik ergibt sich ein Phänomen, das sich heute stark ausbreitet, nämlich die Verwischung der Grenze zwischen der ausschliesslichen Wohndimension und der Dimension des Gastgewerbes. Auf der einen Seite umfasst das Haus daher immer mehr Funktionen und Dienstleistungen, die traditionell dem Hotelgewerbe zustehen, auf der anderen Seite wird das Hotel durch typische Elemente eines Wohnraumes bereichert. Dies hat zur Schaffung von Mischformen wie Aparthotels und Condhotels geführt, Residenzen, die für mittel- bis langfristige Aufenthalte konzipiert sind aber gleichzeitig für diejenigen, die selbst auf Reisen die vertraute häusliche Atmosphäre geniessen möchten, auch für kurze Zeiträume eine Alternative zum traditionellen Hotel bieten. Die Auswirkung auf die gestalterische Dimension dieser besonderen Orte ist offensichtlich, denn das Design der beiden Sphären neigt dazu, sich auf diskrete, aber deutlich wahrnehmbare Weise zu überschneiden. Einerseits tendieren Räume wie die Rezeption zur Entmaterialisierung, andererseits nehmen die privaten Räume in Form und Aufteilung eine Identität an, die der des Hauses ähnelt, wobei beide Funktionen integriert werden, um den Aufenthalt angenehm, komfortabel und emotional bereichernd zu gestalten. Ein Faktor spielt bei der Verbreitung dieser hybriden Form eine wichtige Rolle: das Bedürfnis nach Geselligkeit und Beziehung, das aus verschiedenen Gründen durch Lösungen, die auf halbem Weg zwischen Hotel und Wohnung liegen besser befriedigt werden kann, wie einladende und gepflegte Räume, die privat sind, aber gleichzeitig in der Lage mit dem Außenraum in Kontakt zu treten, sei es durch individuelle Beziehungen oder durch den städtebaulichen Maßstab, in dem die Strukturen integriert werden.
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